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Die Arngau und das Junkerat Borkwedel

Inhalt



Die Arngau


Die Arngau ist ein frostiger Landstrich im mittleren Süden Nordersteins. Teile des Landes sind baumlos und lediglich von Zwergsträuchern überwuchert, die in farbigen Herbsttönen neben Gräsern und Flechten das charakteristische Bild der Arngau bilden. Dennoch ist es schwer den Blick weit schweifen zu lassen, denn zu zerklüftet und übersäht von großen Brocken Basaltgestein ist das Land. Gen Westen nimmt die Zahl der hohen Nadelhölzer zu, geht aber bald in einen dichten Mischwald über. Ein großer langgezogener Berg, überzogen von steilen Hängen und kleinen Bergwiesen, bildet das Zentrum des Junkerats und liegt vorgelagert ins Landesinnere von dem ansonsten ganz im Süden gelegenen Gebirge. Diese Hügelkette bildet nicht nur die Grenze der Arngau, sondern auch des Fürstentum Nordersteins. Ein einziger befahrbarer Weg führt über die Berge und wurde früher von den Nordersteinern als das Tor nach Nafur bezeichnet. In jüngster Geschichte Dorias war es aber, ganz im Gegenteil, für die dorianischen Befreiungstruppen das Tor nach Norderstein, um die Besatzung durch die Dra’kai zu beenden. Unweit des Passes liegt die Festung Borkwedel, des gleichnamigen Geschlechts. Sie ist aus solidem Stein erbaut und kann eine größere Anzahl Leute beherbergen. Ein unter größten Aufwand in den Basaltboden getriebener Brunnen im Burghof garantiert eine autarke Wasserversorgung im Falle einer Belagerung von Angreifern aus dem Süden. Ein Wehr- und Spähturm ragt an einer der Ecken der rechteckigen Burg empor. Eine Schmiede, ein Kräutergarten, eine Waschküche und ein großes Gästehaus sind neben dem Herrenhaus und den Wachquartieren in den Mauern gefasst. Das Wappen der Borkwedel zeigt ein silbernes Wisent auf purpurnen Grund. Diese zotteligen Büffel, doch sanften Riesen, zogen in kleineren Herden durch das Land, sind aber seit dem Krieg fast ausgestorben. Aber auch die Linie der Borkwedel droht zu vergehen: lediglich ein einzelner Erbe, Ser Karl, die zwanzig Winter längst überschritten, verbleibt dem Haus nach unglücklicher Auseinandersetzung mit der eigenen Bevölkerung und dem Krieg mit den Dra’kai. Und auch Ser Karl hat während der Befreiung unrühmlich auf sich aufmerksam gemacht, sodass unklar ist, wer die Arngau fortan regieren wird.

Die Dörfer


In den weitläufigen Landen der Arngau finden sich vier Dörfer. Hirtengraben, Holm und Wittenfleht sind relativ beschaulich, wohingegen Freyerwill die Geschichte des Landes stark beeinflusst hat.
Hirtengraben liegt ganz im Westen im Schatten der Gebirgskette und an der großen Straße die weiter ins Landesinnere führt. Die Hütten sind aus einfachen Brettern zusammengezimmert und mit Schafsdung gedeckt. Die Behausungen bestehen für gewöhnlich aus lediglich einem Wohnraum und bieten genug Schutz gegen Niederschlag und den klammen Nebel der an den Bergen aufzieht. Der Reichtum der kinderreichen Familien die sich hier angesiedelt hatten, bestand vor allem aus mehreren Schafen und Ziegen, welche, zum Schutz vor Wildtieren und aufgrund der Wärme die von ihnen ausgeht, nachts mit in die Wohnhäuser genommen wurden. Tagsüber wurde das Vieh auf die Bergwiesen zum Grasen getrieben. Vor der Besetzung durch die Dra’kai wurde dieser Ort von Durchreisenden gemieden, denn das zentrale Haus – eine Käserei, gebaut auf eine Felsgrube in der die Käse zur Reifung gelagert wurden – verschaffte den Hirtengrabnern den Ruf stinkender Hinterwäldler.

Das kleine Dorf Holm hingegen liegt ebenfalls an der Grenze des Junkerats, allerdings ganz im Südosten auf der dem Landesinneren abgewandten Bergseite. Dieser ehemalige Spähposten war gedacht, um mit einem Leuchtfeuer Norderstein gegen Bedrohung zu warnen. Jedoch wurde nach dem Niedergang einer Gerölllawine der Aufstieg zum Signalfeuer nicht wieder erneuert, da diese bautechnisch aufwendige Arbeit als nicht lohnenswert von dem damaligen Junker Ser Damian Borkwedel bewertet wurde. Das Dorf hat neben einigen Gemüsebeeten und einer Wachstube keine nennenswerten Strukturen. Allerdings, so sagt man sich, dass aller Unrat den die Dörfler in die ergiebige Quelle vor Ort sickern lassen bis in die Südlande getragen wird, schließlich entspringt hier einer der beiden großen Flüsse, die vereint in die Südlande und von dort ins südliche Meer fließen.

Wittenfleht, ein Name der sich aus dem in geringer Entfernung tobenden Flusslauf mit stetig aufsteigender, weißer Gischt ableitet, war zu seiner Blütezeit von einigen Fischern und sogar beachtlich vielen Handwerkern bewohnt, trotz seiner überschaubaren Größe von nicht mehr als 80 Seelen. Die gute Lage an der Wegkreuzung der Haupthandelsroute von Seestadt und Richterburg nach Nafur, brachte viele Händler mit sich und erlaubte den Handwerkern sich hier niederzulassen. Mit den Jahren aber verlor Norderstein den Kontakt zu seinen dorianischen Brüdern und die Bedeutung von Wittenfleht ging zurück nachdem die Handelskarren ausblieben. Zu guter Letzt verblieb nur noch ein Fischerdorf, in dem viele hölzerne Schilder an den Eingangspforten von Handwerksbetrieben kündigen, die einst in den stattlichen Häusern wohnten, welche nun, größtenteils heruntergekommen, von einfachen Fischern und Bauern bevölkert werden. Einzig und alleine das Gasthaus in der Mitte wurde – sei es nun aus Nostalgie oder Strategie in der Hoffnung bald wieder Norderstein mit dem Herzen Dorias zu vereinen – von einem wohlhabenden Händler gekauft und zu seinem Privathaus umfungiert. Seit dem Krieg ist über den Verbleib des Mannes allerdings nichts mehr bekannt.
Der Name des letzten Dorfes spottet seiner ehemaligen Bewohner. Vor seiner Zerstörung im Zuge der Befreiung Nordersteins, zeichnete dieses Dorf die unglückselige Geschichte des Hauses Borkwedel, als sich die hiesigen Bauern mehr Rechte zusprachen, als dem Junker lieb war. Der selbstgewählte Name Freyerwill hat allerdings überdauert – ganz im Gegensatz zu einem Teil der rebellischen Bauern.

Der Bauernaufstand


Im 16ten Jahr nach der Reichsgründung, als der Handel mit den Kernländern Dorias zwar längst abgeebbt war, verfügte die Arngau dennoch über einen guten Lebensstandard. Es waren einfache Arbeiter und Bauern aus der größten Ansiedlung, welche im Übermut einen Dorfvorsteher ernannten und bei ihrem Herrn das Recht zur freien Abholzung und Bejagung in den Wäldern einforderten in Gegenleistung für ihre Frondienste. Junker Damian aber bestimmte, dass der Mehrwert dieser Dienste bei weitem nicht den Nutzen für diese Rechte decke und lehnte die Forderung ab. Nahezu ein ganzes Jahr verstrich, innerhalb dessen sich der Junker anderen Dingen widmete, bis ihm gewahr wurde, dass die eigene Bevölkerung in seinen Wäldern wilderte und Raubbau betrieb. Erbost entsandte er ein volles Dutzend seiner Knechte unter Waffen, um in dem Dorf das Haus des Vorstehers zu beziehen und aufzupassen, dass das Wort des Junkers nicht weiter missachtet wird. Doch zu eng die familiären Bande der Knechte oder zu geschickt die Worte des Vorstehers, dem Treiben wurde jedenfalls nicht Einhalt geboten. Also rief Junker Damian seine verbliebenen Knechte, ebenfalls ein gutes Dutzend, und schritt selbst an der Spitze in das Dorf. Zu seinem Entsetzten begrüßten die Bürger von Freyerwill – wie sie ihre Heimstätte nun getauft hatten – ihren Landesherrn mit freundlicher Bestimmtheit und dem erneuten Gesuch ihrer Bitte nach Holz- und Jagdrechten zu entsprechen. Unter den Dorfbewohnern erkannte er die Gesichter seiner Waffenknechte. Familienangehörige grüßten ihre Brüder und Väter in seinem verbliebenen Dutzend an Streitern. Seine Autorität war schändlich untergraben und sein Zorn um ein Vielfaches geweckt. Er zog sich auf die Burg Borkwedel zurück, entließ treulose Knechte und brauchte das Familienvermögen auf, um noch in diesem Winter Söldner verschiedenster Herkunft unter seinem Banner zu vereinen. Ein Friedensgesuch Freyerwills lehnte er ab und als im hohen Schnee des Neujahrs seine Krieger nach Freyerwill vordrangen, trafen sie auf die ehemaligen Waffenknechte und unausgebildeten Bauernrebellen.
Der Kampf währte kurz und das erwartete Massaker blieb aus, stattdessen ergaben sich die meisten der Menschen angesichts der Übermacht. Die Rebellion nahm sein blutiges Ende auf dem Richtplatz – der höchsten Stelle am Pass nach Nafur. Verräterische Waffenknechte, die ihr Heil nicht in der Flucht gesucht hatten, wurden hingerichtet. Ihre Köpfe zierten lange Zeit den Pass und ihnen blieb die Feuerbestattung verwehrt, da sie des Greifenreichs nicht würdig waren. Der älteste Nachwuchs einer jeden Familie, gleich ob Junge oder Mädchen, musste als Geisel im direkten Umland von Burg Borkwedel verbleiben.

Trotz fehlender Verwendung für die Unmengen an Gestein, wurden die jungen Menschen zur Arbeit im Steinbruch verpflichtet, derweil fremde Söldner sie bewachten. Dem Dorfvorsteher wurde in eine Hand ein Holzpflog und in die andere ein Jagdpfeil getrieben, als Zeichen dafür was das gesamte Dorf sich zu nehmen erdreistet hatte. Er schritt der Prozession von Bußgängern voran vom Richtplatz nach Freyerwill – nun ein Name der den Begehren der Bewohner spottete – und gelobte die Wahrung des Willens seines Landesherrn. Wenige Tage danach verstarb er am Wundbrand.
Der Frieden trügte: Im darauffolgenden Sommer wurden Junker Damian und seine Gemahlin erstochen aufgefunden. Im Schlafgemach hatte eine Magd Rache genommen und das Junkerpaar im Schlaf ermordet, bevor sie sich selbst richtete. Sie wurde als Schwester eines der hingerichteten Waffenknechte wiedererkannt.
Der einzige legitime Spross der Familie, Karl, war damals noch Knappe bei Ser Klewin von Thornhövel. Unter Vormundschaft seines Rittervaters, eines Vertrauten Fürst Lothars, wurde Karl als neuer Junker bestätigt. Das Vermögen und die Einnahmen der Arngau waren soweit geschrumpft, dass Söldner entlassen wurden und die Kinderarbeiter – auf weisen Rat Ser Klewins – mit einem Lohn ausgezahlt in ihr Dorf zurückkehren durften. Zwei Jahre später übernahm Ser Karl mit Erhalt seiner Ritterwürde auch die alleinige Kontrolle über die Arngau. Er gilt als verbitterter Mann und hat für seine Landsleute und seinen Fürsten nie viel Liebe aufbringen können. Noch weniger für die Dorianer des Kernlandes, welche seiner Ansicht nach die aktuelle Misere überhaupt erst verursacht haben, als sie die Dra’kai nach Norderstein trieben.

Der Befreiungskrieg


Der Befreiungskrieg, welcher gemeinhin in den Kernlanden Dorias auch als Nordersteinfeldzug bekannt ist, hat in der Arngau seine Spuren hinterlassen. Auf dem ehemaligen Richtplatz, der Pass der Norderstein mit den Kernlanden verbindet, wurde von den Vertretern des Hauses Kalkriese und Kelterstadt ein Brückenkopf errichtet, welcher später weitere Unterstützung durch das Felswächter Haus Goht erhielt. Holzpalisaden blockieren das Durchkommen und mit dem Belagerungsgerät des Herrn von Goht, welches zur Erstürmung Dreieinigkeits verwendet werden sollte, hielt alleine der Anblick der Befestigung die Dra’kai und marodierende Truppen fern. Von hier aus wurden Kohle, Waffen und Kleidung vor allem aber Nahrungsmittel in das Kriegsgebiet geliefert, um den ausharrenden Nordersteinern in dieser Notlage über den Winter zu helfen. Monat für Monat brachten vor allem die Karren des reichen Kalkrieses Brot und Trockenobst, Kartoffeln und Pökelfleisch, Fisch und Salzfässer an die Grenze; und Monat für Monat fuhren auf den leeren Karren die kriegsmüden Zivilisten in sichere Gebiete in der Kalkrieser Westmark. Als im Frühjahr des 27ten Jahres der Krieg ein schnelles Handeln erforderte, standen mehrere Heerführer bereit vom Brückenkopf aus zuzuschlagen, während das königliche Heer von Norden her Norderstein zurückeroberte. Fürst Lothar von Norderstein und Ser Richard von Goht samt Hilfstruppen aus fernen Ländern zogen gen Eisgipfel, derweil Ser Mortimer von Kelterstadt sowie Ser Angus von Nordwacht und Falkenwacht die Offensive gen Osten übernahmen. Ser Jormund von Hornstett als Bannerritter des Fürsten von Kalkriese verpflichtete sich den Pass und die Arngau zu halten. Es war in Freyerwill, wo das erste Blut des Krieges vergossen wurde. Der helle Schein erfüllte die Dämmerung als schlussendlich das Dorf abbrannte und die Dra’kai ihre erste Niederlage hinnehmen mussten. Die weitere Sicherung der Gau erforderte die Stationierung von Truppen in der Burg Borkwedel. Ser Karl verweigerte dies und wurde ohne Blutvergießen in diesem Zusammenhang auf seiner eigenen Burg bis Kriegsende inhaftiert. Ser Jormund verweilt derweil in Borkwedel, bis ein Urteil des Fürsten über Ser Karl gesprochen wird.


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